Kleid aus der «Yellow»-Kollektion von Akira Naka. 

Mode, die unter die Haut geht

Wir kommunizieren durch die Mode, die wir tragen. Darum ist es eben nicht egal, wie wir in Erscheinung treten. Akira Naka entwirft Mode abseits von Fast Fashion und kurzweiligen Modetrends. Ich verneige mich in meiner Stilkolumne vor diesem feinfühligen Designer. 

Nicole Geser über das Design von Akira Naka

Fashion Week Paris, 2. Oktober. Ich kaufe die SS 2023 Kollektionen für Le Soir Le Jour ein. Nach zwei Jahren Einkauf am Bildschirm aufgrund der Corona Pandemie ist wieder Normalität eingekehrt. Man freut sich, die Kreationen live erleben zu können, Bekannte aus der Branche zu treffen, Inspiration und Vorfreude auf den nächsten Modesommer mit nach Hause zu nehmen. Und doch ist es anders. Es geschieht gerade so vieles auf der Welt was nicht ausgeblendet werden kann. Und auch nicht darf. Mode mag auf den ersten Blick oberflächlich sein, doch hat sie einen Einfluss darauf, wie wir uns und unsere Umwelt sehen.

Gelb*

Im Showroom von Akira Naka. Während das Model die Kreationen des japanischen Designers vorführt, setzen wir uns zu ihm und er erklärt uns die Entstehung dieser Kollektion, die er „Yellow“ = Gelb (in Anlehnung eines Werks von Joseph Beuys) nennt. Während er erzählt und mir der süsse japanische Keks den Mund verklebt, habe ich bald Mühe mit Schlucken. Weil mich seine Worte so bewegen. Angesichts der täglichen Nachrichten aus der Ukraine, die von den Verwüstungen berichten, begann Akira Naka intensiv über die Wurzeln des Konflikts nachzudenken.

Die Essenz seiner Erkenntnis ist, dass er nicht durch Unterschiede in Rasse, Kultur oder Denken verursacht wird, sondern durch einen Mangel an Toleranz, Akzeptanz und Grosszügigkeit. Dass nicht nur das Logische, Perfekte seinen Sinn in der Welt hat, sondern auch das Unvollkommene, Verletzliche. Motive, Schnitte und Graphiken seiner Kollektion widerspiegeln diese Anziehungskraft von Verletzlichkeit und Stärke. Offene Kanten und herausgeschnittene Details: Ich verstehe diese Kollektion, die das Unperfekte annimmt und durch Akzeptanz in etwas Wunderschönes verwandelt.

Wearing the attitude

Kleidung ist auch Ausdruck unserer Haltung und Gedanken, dies macht mir der Besuch bei Akira Naka ein weiteres Mal bewusst. Oder mit Akiras Worten: „Die verschiedenen Details und Schnitte stehen für das, was ich als menschliches Potenzial und Hoffnung ansehe, und ich hoffe, dass sie uns inspirieren, unsere Gesellschaft (und uns selbst) zu überdenken. Ich glaube, dass die Kreativität, Ästhetik, Flexibilität und Grosszügigkeit, die wir mit unserer Kleidung ausdrücken, wesentliche Elemente sind, um Güte und Frieden in die Welt zu bringen.“ Ich beginne mit meiner Bestellung. Draussen scheint die Sonne.

 *Das Wort Gelb steht in Japan für Hoffnung und Licht.

Kolumne für das Magazin «Für Sie» No.67/ Winter 2022